piqd – handverlesenswert mit Informationen aus der Geschichtskultur
Wer kann sich schon die Zeit nehmen, verbreitete und weniger verbreitete (Online-) Zeitschriften und -Zeitungen täglich nach aktuellen Berichten zur Geschichts- und Erinnerungskultur zu durchkämmen? Eher wenige, mehr dürften sich mit mehr oder weniger einschlägigen Online-Dienstleistungen in diesem Bereich auseinandersetzen, die zunehmend ins Leben gerufen werden, dabei kostenfrei und/oder kostenpflichtig genutzt werden können und Empfehlungen zu Artikeln aus der Presselandschaft anbieten.
Ein Anbieter soll in diesem Blogbeitrag vorgestellt werden, der u.a. eine „Tour“ durch die Presselandschaft für Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer anbietet.
Piqd war lange Zeit kostenfrei. Ab Beginn des Jahres 2021 werden einige Funktionen nur ab einem kleinen Betrag (oder einem Betrag deiner Wahl) pro Monat zur Verfügung stehen, z. B. die direkte Verlinkung aus der Mail heraus zu dem Artikel. [Werbung: unbezahlt, unbeauftragt]
Vom Nutzen und Sinn aktueller Informationen aus der Geschichtskultur für Geschichtslehrerinnen und -lehrer
Nehmen wir den Umweg über ein Beispiel:
Die Schülerinnen und Schüler erörtern die Bedeutung der Veränderungen von 1989/90 für ihre eigene Gegenwart […].“ [1]
So heißt es für den Bereich „Urteilskompetenz“ [2] im Kernlehrplan für die Grundkurse der Oberstufe der Gesamtschulen und Gymnasien des Landes Nordrhein-Westfalen (2013). Was muss eine Geschichtslehrerin bzw. ein Geschichtslehrer wissen, um den Schülerinnen und Schülern angemessenes Material als Basis für eine Urteilsbildung zur Verfügung stellen zu können bzw. die Urteilsbildung im Geschichtsunterricht zu diesem Thema angemessen moderieren zu können?
Fundierte fachliche Kenntnisse müssen selbstverständlich vorausgesetzt sein. Sicher, für Eilige ist da angesichts der sonst vielfältigen Aufgaben im Schulalltag immer noch das Schulbuch, auf das zurückgegriffen werden kann. Doch nicht jedes Schulbuch greift mehrere Perspektiven auf, berücksichtigt den aktuellen Stand der Forschung und aktuelle Debatten, bietet motivierendes und relevantes Material für einen Einstieg oder Ausstieg in die bzw. aus der Geschichtsstunde oder Unterrichtsreihe.
Eine „wache Zeitgenossenschaft“ sollte daher jede Geschichtslehrerin und jeder Geschichtslehrer pflegen, um über Neuigkeiten im Bereich der Geschichts- und Erinnerungskultur – hier über die Bedeutung der Wiedervereinigung für unsere Gegenwart – informiert zu sein.
Nur dann können etwa öffentliche Debatten, Kontroversen oder Streitigkeiten um Deutungsansätze und neue Materialien auch in den Unterricht eingebracht werden. Nur dann können Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer sich neuer Thesen der Geschichtswissenschaft zu den im Unterricht behandelten Themen bewusst sein und sie für ihre Unterrichtsplanung berücksichtigen.
Der wirtschaftliche und soziale Aspekt der Wiedervereinigung von 1990 und seine Bedeutung für die Gegenwart
Bleiben wir noch für einen Moment bei einem skizzierten Beispiel zur Urteilsbildung über die Bedeutung der Wiedervereinigung 1990 für die eigene Gegenwart. Neben politischen Aspekten spielte bei den „Veränderungen von 1989/90“ vor allem auch der wirtschaftliche Aspekt eine besondere Rolle: Wie sollte im Zuge der staatlichen Vereinigung mit DDR-Betrieben umgegangen werden?
Die vorletzte DDR-Regierung gründete zur Beantwortung dieser Frage und Verwirklichung der Entscheidungen im Kontext der Wiedervereinigung eine Treuhandanstalt. Diese nahm Privatisierungen und Reprivatisierungen vor, liquidierte Betriebe oder übergab sie an Kommunen. Über die sozialen Folgen heißt es in einem Artikel der Ostsee-Zeitung vom 10.7.2018:
Die Privatisierungen und Liquidationen gingen laut Bundeszentrale für politische Bildung mit einem erheblichen Arbeitsverlust einher: Fast zwei Drittel der Arbeitsplätze, die 1990 unter der Verantwortung der Treuhandanstalt standen, gingen bis 1994 verloren.“ [3]
Was hier in einem knappen Satz nur nüchtern präsentiert wird, tritt nach ca. 25 Jahren seit der Wiedervereinigung erneut auf die öffentliche und politische Bühne.
„[W]as im Osten passiert ist“, die sozialen Folgen des Umgangs mit der Wirtschaft und Landwirtschaft der ehemaligen DDR und die Bedeutung der Maßnahmen der Treuhandanstalt für unsere Gegenwart werden von Stefan Locke in seinem Artikel „Vom Ende der Sprachlosigkeit“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.08.2017) erneut aufgegriffen. Plakativ und zugespitzt formuliert er:
Das Schweigen dauerte 26 Jahre, und jetzt soll es ausgerechnet an einem schönen Sommersonntag enden.“ [4]
Der Artikel ist sicher eine Lektüre wert, möchte man sich dem Thema, auch mit seinen gegenwärtigen Facetten weiter nähern. Wer noch nicht ausreichend informiert ist oder wer die Zeit (und etwa die Kritik von Günter Grass) nicht als Zeitzeugin oder Zeitzeuge in Erinnerung hat, für die oder den wird hier das Tor geöffnet, sich weiter mit dem Thema auseinanderzusetzen, um auch selbst die „Bedeutung der Veränderungen von 1989/90 für [… die] eigene Gegenwart“, hier mit Blick auf die „Abwicklung“ von (Landwirtschafts-)Betrieben, dem z.T. damit verbundenen Verlust an Arbeitsplätzen und den vielfach damit einhergehenden Bruch in vielen Biographien ehemaliger DDR-Bürger, einschätzen zu können.
Wegweiser zu Informationen aus der Geschichtskultur
Dieses Beispiel soll genügen, um auf die Bedeutung einer „wachen Zeitgenossenschaft“ hinzuweisen, die neue Sichtweisen auf einen Inhaltsbereich eröffnet und Potenzial für Thematisierungen im Unterricht bietet.
Wie aber diese und andere (für den Unterricht relevante) Informationen zu Geschichts- und Erinnerungskultur finden? Die Angebote und Informationen (im Internet) – nicht nur, aber auch für Expertinnen und Experten im Bereich Geschichtswissenschaft, Geschichtsdidaktik und Schule – sind vielfältig und zahlreich. Dass es angesichts dessen so etwas wie stets aktualisierte „Gelbe Seiten“ für Geschichtskultur geben sollte, liegt auf der Hand.
Wer in der Fülle der (Web-)Publikationen eine gewisse Orientierung haben will, für den lohnt sich daher ein Blick auf piqd – handverlesenswert [5]. Die Plattform wurde von Konrad Schwingenstein, Enkel des Mitbegründers der Süddeutschen Zeitung, August Schwingenstein, gegründet.
Das Ziel des Online-Dienstes ist es, „zu einer informierten Öffentlichkeit im Netz“ [6] beizutragen. Mittels eigens ausgesuchter „Kuratoren“ werden zu diesem Zweck die „Rosinen“ aus der Vielfalt der Veröffentlichungen, u.a. im Bereich der Geschichts- und Erinnerungskultur, ausgewählt, herausgepickt.
Was bietet „piqd – handverlesenswert“?
Das ist schnell erzählt. Die Plattform selbst ist unterteilt in verschiedene „Kanäle“, von „Europa“ über „Pop und Kultur“ bis hin zu „Zukunft und Arbeit“. Abgedeckt werden dabei politische, kulturelle, wirtschaftliche, gesellschaftliche und, mit „Zeit und Geschichte“, auch Themenbereiche der Geschichts- und Erinnerungskultur.
Motivation für die Gründung der Plattform war vor allem der Wille, sich nicht von den Algorithmen der Suchmaschinen Texte bzw. Internetseiten empfehlen zu lassen, sondern auf menschlichen Expertenrat zu setzen. Die Experten, sogenannte „Kuratoren“ (zumeist Historiker und (Fach-)Journalisten), wählen aus, was bedeutsam und aus ihrer Sicht lesenswert ist. Die „piqs“ werden dann in der kostenfreien Version den Abonnentinnen und Abonnenten via Mail zur Verfügung gestellt.
Mit den „piqs“ handelt es sich um (Online-)Artikel, zumeist aus bekannten (Online-)Zeitungen und -Zeitschriften, vereinzelt werden auch Blogbeiträge zur Empfehlung ausgewählt. Jeder Artikel wird in einer Email in einem kurzen Text vorgestellt. Darin heben die Kuratoren knapp hervor, warum der Artikel lesenswert ist, kurzum, sie beantworten die Frage: „Warum ist diese Empfehlung die Zeit der Leser wert?“. [7] Der ausgewählte Artikel ist in der Email für Abonnentinnen und Abonnenten von piqd verlinkt (vgl. die Empfehlung zum obig genannten Artikel: „Wie war es in der Nachwendezeit? Die Menschen wollen reden“). Nur sehr selten wird auf kostenpflichtige Seiten verlinkt.
Die Kriterien für die Auswahl von Artikeln werden bei der Lektüre des Kuratoren-Teasers deutlich. Eine weitere Eingrenzung durch die Nutzerinnen und Nutzer, etwa in Themenbereiche oder Epochen, ist innerhalb des Kanals „Zeit und Geschichte“ nicht möglich, aber sicher auch nicht nötig, zumal eine weitere Ordnung dieser Art auch ad infinitum vorgenommen werden könnte.
Im der kostenpflichtigen Version des Online-Dienstes sind darüber hinaus Serviceleistungen enthalten, mit denen u.a. Personalisierung (Newsletter und Archiv bzw. persönliches „Magazin“) und Kommentierung der Empfehlungen möglich ist. [8]
Worin liegt der Mehrwert von „piqd“?
Die Plattform wurde zu Recht in der Kategorie „Spezial“ für den Grimme Online Award 2017 nominiert. [9] Für diejenigen Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer, die (täglich) über bedeutsame Neuigkeiten und Informationen aus dem Bereich Geschichts- und Erinnerungskultur informiert werden wollen, bietet der Dienst sicher einen Mehrwert:
Die „handverlesene“ Auswahl ist hilfreich, damit einhergehend die tägliche Information, vor allem aber der knappe Teaser in der Mitteilungsmail. Ein Vorteil ist vor allem auch in der automatisierten Email-Benachrichtigung über „Lesenswertes“ im Bereich Geschichts- und Erinnerungskultur zu sehen. Wer sonst nur eine Zeitung abonniert haben sollte, ob als Print- oder Onlineversion, dem hilft es sicher auch, mittels piqd auf Artikel aus der übrigen Presse hingewiesen zu werden.
Nicht alle Artikel sind für die Themen des Geschichtsunterrichts relevant, doch schließlich richtet sich der Dienst nicht ausschließlich an Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer.
Kurzum, zur Pflege einer „wachen Zeitgenossenschaft“ sind Online-Dienste wie hier piqd – handverlesenswert durchaus geeignet. Empfohlene Artikel können die weitergehende Auseinandersetzung mit der Fachliteratur nicht ersetzen, aber ergänzen.
Autor: Utz Klöppelt
Hier schreibt dein Kollege – mit mehr als 15 Jahren Erfahrung in Geschichtsunterricht und Geschichtsdidaktik, Gründer von Geschichte 21.
Ich helfe Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrern dabei, ihren Geschichtsunterricht noch besser zu machen!
Auf meinem Blog Geschichte 21 und in meinem Flugblatt | Geschichte 21, dem Newsletter für die 5-Minuten-Tipps für dein Fach Geschichte, erhältst du mindestens zwei Mal pro Woche Anregungen und Hinweise für deinen Unterricht!
Mein geballtes Wissen und meine gesamte Expertise stelle ich dir in meinen beliebten Fortbildungen, Kursen, Workshops, einem plattform-internen Podcast und Webinaraufzeichnungen in meiner Akademie | Geschichte 21, dem Online-Portal für den Geschichtsunterricht, zur Verfügung! Du kannst die Themen deiner Wahl dort auf Abruf vertiefen!
Dort findest du auch Unterrichtsmaterial zum Download für deinen Geschichtsunterricht.
Abseits von Geschichtsdidaktik und Geschichtsunterricht findest du mich u. a. beim Sport (Rudern, Stand-up-Paddling und Basketball) sowie beim Lesen von vorwiegend amerikanischer Literatur!
Zum Weiterlesen
Kanal „Zeit und Geschichte“ auf piqd – handverlesenswert
„Die Treuhand und immer noch kein Ende“ (Artikel der Ostsee-Zeitung vom 10.7.2018)
Fußnoten
[1] Kernlehrplan für die Sekundarstufe II. Gymnasium / Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen. Geschichte, hg. v. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf; 2013, S. 31
[2] Ebd.
[3] Bernhard Schmidtbauer (2018). „Die Treuhand – und immer noch kein Ende“, Ostsee-Zeitung vom 10.7.2018, URL: https://www.ostsee-zeitung.de/Mecklenburg/Rostock/Die-Treuhand-und-immer-noch-kein-Ende (Stand: 13.2.2022)
[4] Stefan Locke (2017). „Vom Ende der Sprachlosigkeit“, FAZ Plus, 5.8.2017, URL: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/aerger-ueber-sachsens-aufarbeitung-der-nachwendezeit-15136922.html (Stand: 4.9.2023)
[5] Piqd – handverlesenswert, URL: https://www.piqd.de (Stand: 10.08.2017)
[6] „Über uns“, URL: https://www.piqd.de/about (Stand: 10.08.2017)
[7] Ebd.
[8] Vgl. „Mitgliedschaft“, URL: https://www.piqd.de/pricing (Stand: 10.08.2017)
[9] Vgl. Nina Gollwig und Anna Casters (2017). „Journalismus ohne laute Töne“, auf: quergewebt. Das Blog zum Grimme Online Award, 16.06.2017, URL: http://blog.grimme-online-award.de/2017/06/journalismus-ohne-laute-toene/ (Stand: 10.08.2017)
Bildnachweise
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