Kahoot – „Gamifizierung“ des historischen Lernens?
Wer Kahoot […] im Unterricht einsetzt, spürt sofort: Das wirkt. […] Die Klassen sind hochkonzentriert und mit Eifer dabei. Zwischenstände werden oft laut kommentiert, auch die Schlussresultate lösen einiges aus. Direkt im Anschluss ist ein Feedback möglich, viele Klassen wünschen dann direkt, bald wieder zu ‚kahooten‘. [1]
Philippe Wampfler, Deutschlehrer in Zürich (2017)
Am Reizwort „Digitalisierung“ bzw. „digitale Bildung“ scheiden sich die Geister. Ludditen, Maschinenstürmer, sind zwar nicht auszumachen, doch die einen ignorieren sie oder lehnen sie grundsätzlich ab.
Andere wiederum springen voll darauf an, machen sie zum neuen Trend, haben dabei aber oft Scheuklappen auf und vergessen die eigentlichen Bildungs- und / oder Erziehungsziele.
Dann gibt es last, but not least, diejenigen, die, wie hier vorgestellt, digitale Werkzeuge, neudeutsch „Tools“, mit Augenmaß wohl dosiert im Geschichtsunterricht einsetzen, gleichzeitig aber reflektieren, welche Gefahren oder Nachteile damit verbunden sind, um nicht in die „Digitalisierungsfalle“ zu tappen oder dem „Technisierungswahn“ in Schulwesen zu verfallen. [2]
Kahoot im Geschichtsunterricht – sinnvoll?
Die kurze Antwort lautet: es kommt darauf an! In diesem Blogartikel zeige ich Vorteile und Nutzen des Einsatzes dieses digitalen Werkzeuges auf und gebe ein Beispiel für den Start mit einem „Kahoot“ ins neue Schuljahr zum Kopieren und Modifizieren.
Auch wenn der Quizcharakter der Software viele Schülerinnen und Schüler motiviert, sollten Gefahren und Nachteile nicht aus dem Blick geraten, um nicht in blinde Euphorie zu verfallen. Doch zunächst für alle, die es noch nicht kennen sollten: Was ist Kahoot und wie kann man es für den Geschichtsunterricht einsetzen?
Was ist Kahoot?
Ich habe „Kahoots“ bislang erfolgreich sowohl im Geschichts- als auch im Englischunterricht eingesetzt. „Kahoots“ sind internetbasierte Quizzes oder Umfragen, die sich für bestimmte Zwecke auch im schulischen Unterricht einsetzen lassen.
Die Registrierung auf der Startseite von Kahoot ist kostenfrei, ein Login mit einem Google– oder Microsoft-Konto ist möglich. Einmal registriert, kann der Benutzer zwischen öffentlichen „Kahoots“ für verschiedene Schulfächer und Wissensbereiche auswählen oder selbst eines erstellen.
Dabei kann sie oder er zwischen einem Quiz, einer Umfrage, einem Puzzle oder einer Fragestellung mit anschließender Online-Diskussion wählen. Für den Unterricht wird zumeist das Quiz- und Umfrageformat verwendet.
Ziel eines „Kahoot“-Quizzes etwa ist es, die gestellten Fragen in einer voreingestellten Zeit richtig zu beantworten. Die Schülerinnen und Schüler haben die Wahl zwischen zwei bis vier Auswahlmöglichkeiten („multiple choice“). Dabei können die Mitspieler mit einem digitalen Endgerät ihre Antwort einzeln, paarweise oder in Gruppen geben.
Das Quiz wird zum Wettbewerb, da automatisch Punkte für jede richtig beantwortete Frage vergeben werden können. Abschließend kann das „Ranking“ gespeichert werden, etwa wenn die Ergebnisse des „Kahoot“ zur Leistungsbewertung herangezogen werden sollen. Datenschutzrechtliche Belange müssen dabei selbstverständlich beachtet werden. Sie werden hier nicht eigens behandelt.
„Kahoots“ sind onlinebasiert. Nötig sind daher eine Projektionsfläche für die Fragen und Antwortoptionen im Klassenraum sowie die technische Ausstattung für die Mitspieler (Smartphone, Tablet oder Desktop-Computer). Sie sind relativ zügig einsetzbar, eine reibungslose Internetverbindung und funktionierende technische Ausstattung vorausgesetzt.
Beispiel: Ein „Kahoot“ für den Einstieg ins neue Schuljahr
„Learning by doing“ – „Kahoots“ sind leicht erstellt und schnell gespielt. Ich gebe also am besten wohl ein Beispiel, das ich – relativ zügig – für den Einstieg in das neue Schuljahr in den Geschichtsunterricht der Qualifikationsphase (Q1) in Nordrhein-Westfalen erstellt habe.
Es ist folgendermaßen strukturiert:
- Fragen 1-3: Einstieg und Fragen zur persönlichen Zielsetzung für das neue Schul(halb)jahr
- Fragen 4-7: Fragen zur Quelleninterpretation (zur Wiederholung von Inhalten und Methoden aus der Einführungsphase)
- Fragen 8-10: Hier werden (nur) einige der Inhaltsbereiche der Qualifikationsphase genannt – damit die Schülerinnen und Schüler schon einmal sehen, womit sie sich inhaltlich beschäftigen werden. Abgefragt werden die Präferenzen für Inhalte.
- Fragen 11-14: Fragen zur Wiederholung aus der Sek. I und / oder der Einführungsphase
- Fragen 15-22: Fragen zu ausgewählten Inhaltsbereichen, die die Schülerinnen und Schüler in den Jg. 11 und 12 bzw. 12 und 13 bearbeiten werden
Die Fragen sind bewusst einfach gestellt, da das „Kahoot“ nur als spielerischer Einstieg (ca. 10 bis 15 Minuten der ersten Stunde nach den Ferien) fungieren soll. Wenn du es ausprobierst, wirst du sehen, dass es von mir recht nüchtern gestaltet ist, heißt: ich habe nicht für jede Frage ein Bild eingefügt (es lassen sich auch Videos einfügen), da ich für den Zweck dieses Blogbeitrages nur die Funktion zeigen wollte. Selbstverständlich müssen beim Einfügen von Bildern und Videos die Lizenzfragen bzw. Urheberrechte beachtet werden.
Los geht’s! Einfach ausprobieren!
Klicke auf diesen Link zu Kahoot, nach deinem Login öffnet sich z. B. folgendes Fenster:
Klicke auf „Play!“ und wähle „Classic“ als Spieloption aus.
Öffne ein neues Fenster in deinem Browser und gebe https://kahoot.it ein. In diesem Fenster wirst du die Antworten geben. Inzwischen wird auch die „Game PIN“ für das „Kahoot“ angezeigt. Gib sie in deinem Spielfenster ein.
Du kannst nun einen Spielernamen eintragen (für Schülerinnen und Schüler am besten den Klarnamen; aber: Beachte unbedingt datenschutzrechtliche Belange!). In deinem anderen Browserfenster wird dein Name nun erscheinen:
Klicke auf „Start“ und beginne das Quiz. Die erste Frage erscheint. Klicke in deinem anderen Browserfenster auf die Antwort deiner Wahl. Orientiere dich dabei an den Farben der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten und der Schaltfäche.
Fahre wie oben beschrieben fort und du (oder deine Schülerinnen und Schüler auf ihren (mobilen) Endgeräten) gelangen durch die Quizfragen zum Ende des Spieles. Für manche Frage gibt es nur eine richtige Antwortmöglichkeit, für andere Fragen, z.B. nach den favorisierten Inhalten in der Qualifikationsphase, gibt es kein „richtig“ oder „falsch“.
Ich will auch! Ein bereits vorhandenes „Kahoot“ verwenden
Du kannst das obig beschriebene „Kahoot“ für deinen Unterricht verwenden, da ich es öffentlich zugänglich gemacht habe. Spielen kannst du es mit deinen Schülerinnen und Schülern auch ohne eine Registrierung, möchtest du es aber verändern, dann benötigst du einen Zugang auf https://kahoot.com/.
Gib zu diesem Zweck in der Menüleiste bei „Discover“ einfach den Titel des „Kahoots“ ein: „Start Geschichtsunterricht Schuljahresbeginn“, dupliziere das „Kahoot“ und modifiziere es nach deinen Bedürfnissen. Alternativ kannst du mir auch deinen Kahoot-Benutzernamen schicken, dann teile ich es mit dir.
Was soll das Ganze im Geschichtsunterricht? Ist es nicht zu spielerisch? Zu anspruchslos?
Was Sinn macht …
„Kahoots“ können im (Geschichts-)Unterricht begrenzt eingesetzt werden zur:
- Motivierung der Schülerinnen und Schüler,
- Abfrage am Anfang einer Stunde, z.B. Überprüfung von Sachkenntnissen aus einem vorbereitenden Text (Hausaufgabe zur Stunde),
- Abfrage am Ende einer Sequenz oder einer Unterrichtsreihe,
- Abfrage von Inhalten eines Schul(halb)jahres,
- zur Einholung eines Vorausurteils mit der Umfragefunktion von Kahoot; ggf. sinnvoller als durch Handaufheben / Aufzeigen / Strecken etc., da geheim.
- Da nach jeder Frage das Ranking angezeigt und damit das Quiz kurz unterbrochen wird, kann die vorhergehende Frage bzw. der Überblick über die gegebenen Antworten kurz erläutert / besprochen werden.
- …
Diese Einsatzmöglichkeiten bedienen (nur) den Anforderungsbereich I. Sind aber gelegentlich eine sinnvolle Alternative zu inhaltsbezogenen Wiederholungen. Selbstverständlich geht es auch ohne – auch ohne Stromverbrauch. Wer den ökologischen Fußabdruck geringer halten möchte, der bedient sich einfach der vier Ecken des Klassenraumes zur Auswahl der Antworten – mit dem Nachteil allerdings, dass Antworten nicht geheim gegeben werden.
Was keinen Sinn macht …
Die Grenzen von Kahoot werden m.E. jedem schnell deutlich. Wie für alle Methoden gilt auch für „Kahoots“, dass ein ständiger Einsatz Monotonie erzeugt. Jedem dürfte, wie oben erwähnt, zudem klar sein: Dieses digitale Werkzeug sollte nicht überbewertet werden: es kann fast nur für den Anforderungsbereich I eingesetzt werden.
Zudem bringt der unreflektierte Einsatz Gefahren mit sich. Philippe Wampfler, Deutschlehrer in Zürich und Experte für digitale Werkzeuge im Unterricht, fasst sie wie folgt zusammen: [3]
- Manipulation der Schülerinnen und Schüler durch Punkteverteilung für Antworten und Konkurrenz bzw. Wettbewerbscharakter; dazu gehört m.E. auch, dass mit der Betonung des Wettbewerbs (Punkteverteilung) und der lediglich inhaltsorientierten Quizfragen der Eindruck entstehen könnte, Faktenwissen sei das Wichtigste im Geschichtsunterricht.
- Der Zeitdruck bei der Auswahl der Antwort passe nicht zu zeitgemäßen pädagogischen Konzepten.
- Wissen und Inhalte würden vereinfacht, es werde suggeriert, dass es einfache Fragen mit einfachen Antworten gäbe.
- Extrem instruktiv: die Lehrkraft stelle die Fragen, die Schülerinnen und Schüler beantworteten sie.
Wampfler kommt zum Schluss, dass Kahoot, von der Lehrkraft kritisch reflektiert, „durchaus im Unterricht vorkommen“ dürfe. Das Versprechen der sogenannten digitalen Bildung, „dass Lernende mit digitalen Hilfsmitteln selbstorientiert und kooperativ Probleme bearbeiten und dafür auf verschiedene Quellen zurückgreifen, Material bearbeiten und kombinieren und anderen Lernenden ihre Resultate wieder zur Verfügung stellen“, [4] löst Kahoot allerdings kaum bzw. gar nicht ein. Dafür ist es aber auch nicht konzipiert.
Autor: Utz Klöppelt
Hier schreibt dein Kollege – mit mehr als 15 Jahren Erfahrung in Geschichtsunterricht und Geschichtsdidaktik, Gründer von Geschichte 21.
Ich helfe Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrern dabei, ihren Geschichtsunterricht noch besser zu machen!
Auf meinem Blog Geschichte 21 und in meinem Flugblatt | Geschichte 21, dem Newsletter für die 5-Minuten-Tipps für dein Fach Geschichte, erhältst du mindestens zwei Mal pro Woche Anregungen und Hinweise für deinen Unterricht!
Mein geballtes Wissen und meine gesamte Expertise stelle ich dir in meinen beliebten Fortbildungen, Kursen, Workshops, einem plattform-internen Podcast und Webinaraufzeichnungen in meiner Akademie | Geschichte 21, dem Online-Portal für den Geschichtsunterricht, zur Verfügung! Du kannst die Themen deiner Wahl dort auf Abruf vertiefen!
Dort findest du auch Unterrichtsmaterial zum Download für deinen Geschichtsunterricht.
Abseits von Geschichtsdidaktik und Geschichtsunterricht findest du mich u. a. beim Sport (Rudern, Stand-up-Paddling und Basketball) sowie beim Lesen von vorwiegend amerikanischer Literatur!
Zum Weiterlesen und Weiterhören (Podcast)
- Michael Drabe reflektiert u. a. die Lernwirksamkeit von Kahoot in seinem Beitrag Quizapps im Unterricht (September 2022).
- Philippe Wampfler: „Der Kahoot-Sog und die Gefahr der Quizifizierung der digitalen Bildung“ auf Schule Social Media (05/2017)
- Philippe Wampfler über den Kahoot-Sog im FNMA Magazin (Forum Neue Medien in der Lehre Austria, 2017)
- Mehr über den Deutschlehrer Wampfler und sein Konzept „digitaler Bildung“ im Forschergeist-Podcast Nr. 59 (Digitale Didaktik. Digitale Medien und Kultur im Schulunterricht)
- Zur „Toolifizierung“ Präsentation von Lisa Rosa: „Welche ‚digitale Bildungsrevolution‘ wollen wir?“ (Mai 2018)
- Mehr von Geschichte 21 über digitale Tools in deinem Geschichtsunterricht: Thinglink im Geschichtsunterricht und Schulentwicklung und Geschichtsunterricht mit Padlet
Bildnachweise
Nach der Reihenfolge des Erscheinens:
- „Ein ‚Kahoot‘ von Geschichte 21“ © Kahoot / Utz Klöppelt (Screenshot)| Geschichte 21, Aachen, August 2018.
- „Startbildschirm ‚Kahoot‘ von Geschichte 21“ © Kahoot / Utz Klöppelt (Screenshot) | Geschichte 21, Aachen, August 2018.
- „Spieloptionen zum ‚Kahoot‘ von Geschichte 21“ © Kahoot / Utz Klöppelt (Screenshot) | Geschichte 21, Aachen, August 2018.
- „Game Pin (variiert von Spiel zu Spiel) zum ‚Kahoot‘ von Geschichte 21“ © Kahoot / Utz Klöppelt (Screenshot) | Geschichte 21, Aachen, August 2018.
- „Spielername(n) zum ‚Kahoot‘ von Geschichte 21“ © Kahoot / Utz Klöppelt (Screenshot) | Geschichte 21, Aachen, August 2018.
- „Erste Frage des ‚Kahoots‘ von Geschichte 21“ © Kahoot / Utz Klöppelt (Screenshot) | Geschichte 21, Aachen, August 2018.
- Porträt Autor © Utz Klöppelt.
Fußnoten
[1] Philippe Wampfler. „Der Kahoot-Sog und die Gefahr der Quizifizierung der digitalen Bildung“, FNMA Magazin 02/2017, S. 15, URL: https://schulesocialmedia.files.wordpress.com/2017/05/forum-neue-medien-kahoot-sog.pdf.
[2] Zum „Technisierungswahn“ im Bildungswesen vgl. Julian Nida-Rümelin und Klaus Zierer. „Technisierungswahn“, in: dies. Auf dem Weg in eine neue deutsche Bildungskatastrophe. Zwölf unangenehme Wahrheiten, Freiburg im Breisgau: Herder; 2015, S. 177-180.
[3] Philippe Wampfler. „Der Kahoot-Sog und die Gefahr der Quizifizierung der digitalen Bildung“, FNMA Magazin 02/2017, S. 16, URL: https://schulesocialmedia.files.wordpress.com/2017/05/forum-neue-medien-kahoot-sog.pdf.
[4] Ebd, S. 17.
Jennifer
Eine sehr schöne Vorstellung von Kahoot!
Ich stimme mit dir stark überein, was die Grenzen von Kahoot betrifft. Und gerade deshalb habe ich mich mit Kahoot nie anfreunden können, sondern setze stattdessen Plickers ein. Wettbewerb und Zeitdruck gibt es da nicht, wenn man den SuS die nötige Zeit lässt und die Antworten der SuS nicht anzeigt. Ich setze es tatsächlich als ritualisierten Einstieg in meine Mathestunden ein, wobei ich nach 1 Jahr dazu übergegangen bin, die Aufgabenerstellung an meine SuS abzugeben. Jede Stunde stellt nun jemand anderes die Plickers-Aufgaben. 🙂
Utz Klöppelt
Vielen Dank für die Rückmeldung, Jennifer! Und für den Hinweis auf „Plickers“! Ich selbst habe es noch nicht ausprobiert, werde mich aber mal damit auseinandersetzen! Die von dir geschilderten Vorteile gegenüber „Kahoot“ überzeugen!
Dass „Kahoot“ zwischendurch immer wieder Resultate anzeigt, kann man jedoch auch positiv wenden: Bei Quizzes nutze ich die Ergebnisübersicht zwischen den Fragen, um ggf. zu klären, warum die eine statt der anderen Antwort dir richtige ist. Das muss natürlich dann zur Frage passen. Bei Umfragen kann die Anzeige der Resultate als Diskussionsanlass dienen, etwa, wenn es um ein Vorausurteil oder eine erste Urteilsbildung geht.
Sehr passend finde ich übrigens die Idee, die Schülerinnen und Schüler Quizzes etc. selbst erstellen zu lassen. Darum werde ich mich auch einmal kümmern!