Maßnahmen gegen die Klimakrise könnten dafür sorgen, dass wir vielleicht wieder zum Sonntagsbraten zurückkehren, d.h. unseren Fleischkonsum auf den Sonntag oder einen Tag der Woche beschränken – oder dass wir sogar von omnivorer zu vegetarischer oder veganer Ernährung wechseln.
Warum? Die Nutztierhaltung verschlingt viele natürliche Ressourcen und trägt nicht nur damit zur Erderwärmung bei.
Nutztierhaltung und Fleischkonsum im Geschichtsunterricht – geht das?
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Nun aber zur neuen „Flugblatt-Folge“ hier auf Geschichte 21:
- Im ersten Teil geht es um eine Legende zur „Schweinebucht“, einer Gegend in Norddeutschland.
- Im zweiten Abschnitt klären wir die Frage, was Nutztierhaltung und Fleischkonsum mit unserem Geschichtsunterricht zu tun haben könnten oder sollten.
Nutztierhaltung in der „Schweinebucht“ – Fleischkonsum im Ruhrgebiet
Kennst du das Desaster in der „Schweinebucht“? Vielleicht von der US-amerikanischen Invasion in der kubanischen Bay of Pigs im Jahre 1961? Die meine ich aber nicht …
Gemeint ist eine Gegend im Nordwesten Niedersachsens um Cloppenburg herum. Eine Gegend, in der hunderttausende, wenn nicht gar Millionen von Schweinen und anderen Nutztieren gehalten und getötet werden, die „Schweinbucht“ im sogenannten „Volksmund“.
Der Legende nach ist die Entstehung ihrer massenhaften Nutztierhaltung in zweifacher Weise eng mit der Industrialisierung verwoben:
- Eisenbahn: Durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes konnten neue Absatzmärkte erschlossen werden, in diesem Falle das Ruhrgebiet mit vielen vermeintlich fleischhungrigen „Mäulern“, den Fabrikarbeitern und Bergbauern und ihren Familien – mit einer Steigerung der Nachfrage an Fleischkonsum.
- Industrialisierung: Zweitens könnte die Entstehung der „Schweinehaltung“ in Niedersachen – und nicht nur dort – mit dem Einzug von Effizienzsteigerung und Massenproduktion in die Nutztierhaltung zusammenhängen.
Stimmt das so?
Kommen wir mit der Antwort auf diese Frage zum zweiten Abschnitt dieses Beitrags!
Nutztierhaltung im Geschichtsunterricht?
Je nach Perspektive ist die Geschichte der Massentierhaltung entweder eine Erfolgsgeschichte (sicher aber nicht aus Sicht der Tiere) oder ein Desaster – ein moralisches wie ökologisches Desaster.
Gerade auch in der Generation unserer Schüler:innen erfreut sich vegetarische wie vegane Ernährung zunehmender Beliebtheit. Grund allein, das Thema Industrialisierung, Massenkonsumgesellschaft und Modernisierung auch einmal am Beispiel der Nutztierhaltung und -schlachtung zu thematisieren, findest du nicht?
Denn dass z.B. die Schweinehaltung in Nordwest-Niedersachsen nur deswegen zunahm, weil die Eisenbahn neue Märkte (u.a. im Ruhrgebiet) erschloss und die Nachfrage „hungriger Mäuler“ nach Fleischkonsum dort gestillt werden musste, ist nur ein Teil der Geschichte.
Ein Fallbeispiel für Modernisierung, Industrialisierung, Massenproduktion und Massenkonsum ist die „Deutsche Fleischarbeit“, wie die Historikerin Veronika Settele sie nennt (Settele 2022), vor allem aus folgenden Gründen:
- Bevölkerungswachstum: Der Anstieg der Bevölkerung erforderte die Erschließung weiterer pflanzlicher und vermeintlich auch tierischer Ressourcen, um den Bedarf an Nahrungsmitteln zu decken.
- Wissenschaft und Staat spielten eine nicht unwesentliche Rolle: Der Staat förderte wissenschaftliche Programme zur Zucht, Hygiene und Tiermedizin sowie in wirtschaftlicher Hinsicht zur Produktivität. Eugenik war gerade auch in der Tierzucht ein Thema.
- Was hat die industrielle Fleischproduktion mit Kriegen, Katastrophen und „Demokratisierung“ zu tun? Aus der Erfahrung des Nahrungsmittelmangels des Ersten Weltkriegs heraus entstand eine neue Sehnsucht nach Fleisch. Sie hing aber auch damit zusammen, dass es auch vor dem Krieg schon auf den Tellern „demokratisch“, d.h. gleich bzw. gerecht, vorgehen sollte: ärmere Bevölkerungsschichten wollten ebenso wie reichere Zugang zu günstigem Fleisch haben.
All dies reicht bereits, um deutlich zu machen, dass wir in unserem Fach Geschichte die Geschichte der Massentierhaltung thematisieren sollten und können.
Nutztierhaltung und NS-Ideologie
Übrigens können wir die Thematik auch in eine Unterrichtsreihe zur nationalsozialistischen Diktatur integrieren, dann, wenn es um die NS-Ideologie und NS-Politik geht.
Lebensmittelversorgung und Landwirtschaft waren die einzigen Wirtschaftsbereiche, für die die Nationalsozialisten bereits vor der Machtübernahme ein Programm entworfen hatten. Veronika Settele beschreibt dies in ihrem Buch Deutsche Fleischarbeit (vgl. Settele 2022: 51-56).
Die Erschließung von sogenanntem „Lebensraum“ hing laut NS-Ideologie zudem letztlich auch mit dem Hunger nach Fleisch zusammen. Denn auch für die Nutztierhaltung war Getreideanbau nötig. Wo die Felder dafür liegen sollten, ist allgemein bekannt.
Du interessierst dich mehr für das Thema? Ich empfehle dir das Buch von Veronika Settele (sh. unten) – darin wirst du sicher fündig. Darstellungstexte und Fotos geben dir Anregungen für deinen Geschichtsunterricht.
Oder du hörst dir einen kurzen Hörbeitrag auf Deutschlandfunk Kultur mit „O-Ton“ von Veronika Settele an: Reichlich Fleisch für alle (2023) – die Historikerin spricht darin zu ihren Buch und zum Thema „Deutsche Fleischarbeit“ (12:49 Minuten).
Soweit meine „5-Minuten-Anregung“ für unseren Geschichtsunterricht für heute! Deine Kolleg:innen freuen sich sicher, wenn du deine Erfahrungen mit der Thematisierung von Nutztierhaltung und Fleischkonsum in deinem Fach Geschichte – teilst – sehr gerne unten als Kommentar zu diesem Blogbeitrag!
Shownotes | Links
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- Meine Buchempfehlung zur Geschichte der Massentierhaltung und des Fleichkonsums: Veronika Settele (2022). Deutsche Fleischarbeit. Geschichte der Massentierhaltung von den Anfängen bis heute, München: C.H. Beck.
- Zum Zusammenhang von NS-Ideologie und Masentierhaltung vgl. Settele 2022: 51-56.
- Die Historikerin im „O-Ton“: Veronika Settele auf Deutschlandfunk Kultur (2023). Veronika Settele: „Deutsche Fleischarbeit“. Reichlich Fleisch für alle, im Gespräch mit Christian Rabhansl, 7. Januar 2023.
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Autor: Utz Klöppelt
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Bildnachweise
- Beitragsbild: Podcastcover © Utz Klöppelt – Akademie | Geschichte 21.
- Porträt Utz Klöppelt © Utz Klöppelt – Akademie | Geschichte 21.
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