Die Quellen sprechen im Geschichtsunterricht
Wir haben das Ziel, dass [die Edition] auch ein Schriftdenkmal für die ermordeten Juden werden soll. Vor allem soll sie aber das Gedenken zurückholen auf die Ebene der konkreten Auseinandersetzung mit den Geschehnissen und [es] nicht nur zu einem abstrakten Metadiskurs gerinnen lassen. Ich denke, je weiter die Geschehnisse in die Ferne rücken und je weniger Zeitzeugen es gibt, desto mehr besteht die Gefahr, dass man allgemein darüber redet, in solchen Formulierungen wie, dass das alles sehr erschütternd ist. Von der ‚dunklen Zeit’ ist immer mal die Rede, aber eigentlich [wissen] die Leute kaum noch […], was dann eigentlich konkret zu erinnern ist.
Alle Leute haben immer das Gefühl, sie wissen das eigentlich alles schon längst, und Schüler haben immer den Eindruck, das haben sie in der Schule schon fünf Mal durchgenommen, aber eine konkrete Vorstellung davon, wie das Leben für die Juden in Deutschland war – oder auch in den besetzten Ländern – hat kaum jemand. Fragen Sie einfach mal, wer denn weiß, wann […] die Nürnberger Gesetze eingeführt worden sind und was das überhaupt ist. Dann wissen all diese Leute, die angeblich so überfüttert worden sind mit Informationen darüber, meistens nicht so genau Bescheid.“
Susanne Heim im Gespräch mit Christoph Lindenmeyer am 21.11.2012 in Berlin [1]
Editorischer Hinweis: Die deutschsprachige Edition Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945 ist inzwischen abgeschlossen. Ich habe entsprechende Hinweise im Text und im Abschnitt Zum Weiterlesen und Hören ergänzt.
Die Quellen sprechen im Geschichtsunterricht – Mehr als ein Hördenkmal für die ermordeten Juden Europas (1933-1945)

Wie soll die „Generation 21“, diejenige Schülergeneration, die nicht mehr oder kaum noch in direkte Berührung mit Zeitzeugen kommt, die Selfies am „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ in Berlin macht und zwischen den Stelen Skateboard fährt, aber (zugleich) auch andächtig erinnert und gedenkt, mit dem Holocaust umgehen? Wie und wozu soll der Holocaust und dessen Vorgeschichte für diese Generation unterrichtet werden, wenn sich die Funktion des Gedenkens ändert, wenn die Gefahr besteht, dass, wie es Susanne Heim, Koordinatorin der Edition „Judenverfolgung“ formuliert, das „Gedenken […] zu einem abstrakten Metadiskurs“ [s.o.] gerinnt, der dem der Boden unter den Füßen weggezogen wird, weil die Konkretisierung durch Wissen um die Prozesse und Geschehnisse fehlt?
Auch die Holocaust-Historikerin Sybille Steinbacher, die seit dem 1. Mai 2017 den ersten Lehrstuhl in Deutschland zur Erforschung der Geschichte und Wirkung des Holocaust (Historisches Seminar der Goethe-Universität in Frankfurt am Main) innehat und zugleich Direktorin des Fritz Bauer Instituts ist, betont in einem Interview mit dem Deutschlandfunk (2017) die Notwendigkeit einer Vermittlung von Wissen über den Holocaust:
Und ich denke, es ist ganz entscheidend, überhaupt Wissen herzustellen, und dann geht es natürlich in der Zeitgeschichtsforschung darum, ein kritisches Geschichtsbewusstsein zu schaffen […], in einer kritischen Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen und damit auch eben über den Gegenwartsbezug nachzudenken. […] Das Erinnern erschöpft sich ja leider bisweilen im Moralisieren und auch in etwas leeren Gedenkritualen. Das ist sicher der falsche Weg der Auseinandersetzung oder jedenfalls nur ein Teil des Weges.“ [2]
Den anderen Teil des Weges beschreitet die Höredition Die Quellen sprechen [3], auf die mich dankenswerter Weise ein Kollege hinwies.
Wer die Edition kennt, weiß, warum es sich lohnt, sie vorzustellen, wer nicht, dem sei die Lektüre dieses Blogbeitrags und vor allem ein Blick auf die Internetpräsenz des Projektes empfohlen. Einzelne Dokumente bzw. Reihen von Dokumenten werden in einem späteren Blogbeitrag mit ihrem didaktischen Potenzial vorgestellt, hier wird zunächst die Frage verfolgt, was die Edition bietet. wie und wozu sie eingesetzt werden kann.
Die Quellensammlung VEJ – Basis der Höredition
Die deutschen Juden, von der Partei des Reichskanzlers dauernd bedroht und beleidigt, herabgewürdigt und verleumdet, fordern von jeder Regierung, welche es auch sei, die Respektierung ihrer Existenz, ihrer Ehre und Art.“ [4]
Dieser Satz aus dem Leitartikel vom 31. Januar 1933 der Jüdischen Rundschau zur Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler ist der letzte Satz des ersten Hördokumentes der Edition. Es bildet den Auftakt des Projektes Die Quellen sprechen, das Hördokumente zur Ausgrenzung, Entrechtung, Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden versammelt.
Die Edition basiert auf der Publikationsreihe Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945 (in Folge als VEJ bezeichnet). [5] Sie wendet sich bewusst und ausdrücklich auch an Lehrerinnen und Lehrer, sehr berechtigt, denn sie hat Potenzial wegweisend für den weiteren Geschichtsunterricht zum Holocaust zu sein. Die Thematisierung der Erinnerung an den Holocaust wird weiter ihren Platz im Geschichtsunterricht behalten, der Einsatz von Dokumenten der Edition im Unterricht ist jedoch eine bedeutsame Ergänzung, wenn es um die Inhalte des Erinnerten geht.
Das schriftliche Editionsprojekt VEJ läuft bereits seit dem Jahr 2008. Die deutschsprachige Ausgabe wurde 2021 mit Herausgabe des 16. Bandes abgeschlossen. Eine englischsprachige Edition mit Schlagwortregister für jeden einzelnen Band wird zudem in Kooperation mit der Gedenkstätte Yad Vashem herausgegeben (vgl. Heim 2021).
Die ersten drei Bände stellen Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung von Juden im Deutschen Reich von 1933 bis August 1939 dar. Die Bände 4-15 versammeln Dokumente zu den betroffenen Territorien Europas und Russlands, während ein einziger, letzter Band (Band 16) Quellen zum Konzentrationslager Auschwitz und den Todesmärschen beinhaltet. Die einzelnen Dokumente, allesamt Schriftdokumente bzw. vereinzelt transkribierte Tondokumente, sind in den gedruckten Bänden wissenschaftlich kommentiert.
Dem Quellenteil der Bände ist jeweils eine – nicht allzu umfangreiche, aber dem Stand der (Holocaust-)Forschung gerecht werdende – Einleitung vorangestellt, unerlässlich für die Geschichtslehrerin und den Geschichtslehrer zur sachlichen Information.
An wen richtet sich die Edition?
Adressaten sind sowohl Lehrende, Forschende, Studierende als auch Interessierte, die die Quellenedition entweder für den Unterricht, als wissenschaftliches Hilfsmittel oder aus Neugier und Interesse nutzen möchten.
Verfolgung und Ermordung aus wechselnden Perspektiven
Dabei werden Quellen aus unterschiedlichen Perspektiven versammelt, d.h. von Opfern, Verfolgern und der nichtjüdischen Bevölkerungsmehrheit, z.B. Funktionsträgern, „einfachen“ Leuten, Intellektuellen, ausländischen Beobachtern. Auf diese Weise sollen Ausmaß und Folgen der Verfolgung in vielen Lebensbereichen beleuchtet werden.
Intention der Herausgeber ist es, „die zeitgenössischen Kontexte, die Dynamiken und die Zwischenstufen des politischen und gesellschaftlichen Prozesses, der zu dem beispiellosen Massenverbrechen führte“ zu zeigen. [6] Zu diesem Zweck werden z.T. bislang unveröffentlichte Quellen (vor allem aus osteuropäischen und südosteuropäischen Archiven), pro Band zwischen 300 und 340 Dokumente, herausgegeben. Sie eröffnen die Möglichkeit, in den betroffenen Territorien Aspekte der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden zu rekonstruieren.
Die Dokumente sind jeweils chronologisch angeordnet. Im Vorwort der Herausgeber heißt es zur Konzeption:
Mit dem Verzicht auf thematische Bündelungen wollen die Herausgeber interpretierende und dramatisierende Abfolgen vermeiden. Zugleich möchten sie die unterschiedlichen, die lauten und leisen Äußerungen zur deutschen Judenpolitik festhalten: seien sie mitfühlend, hilfreich, gleichgültig, hämisch oder unverhohlen auf Mord gerichtet, seien Sie – auf der Seite der Verfolgten – gutgläubig, ratlos, verängstigt, entschlossen und verzweifelt.“ [7]
„Die Quellen sprechen“ lassen

Nun hat sich der Bayerische Rundfunk bereits im Jahre 2013 in Kooperation mit dem Institut für Zeitgeschichte und der obig vorgestellten Edition VEJ dem Projekt angeschlossen und bringt dazu eine Höredition heraus. Sie wurde 2016 mit dem Hörbuchpreis prämiert. [8]
Der Internetauftritt ist in drei Teilbereiche gegliedert:
Teil 1: Dokumente
Teil 1 der Höredition befasst sich mit den Quellen. Sowohl Zeitzeugen als auch Schauspieler lassen ausgewählte Dokumente „sprechen“. Die Quellen werden von verschiedenen Regisseuren ausgewählt, editiert (gekürzt) und in verschiedenen Staffeln präsentiert. Ein besonderes Augenmerk wird – wo möglich – auf die Vertonung durch jüdische Zeitzeugen gelegt. Die einzelnen Hördokumente haben eine Länge von jeweils ca. 1-10 Minuten.
Bislang sind acht Staffeln erschienen (aus den Bänden 1-4 (Januar 2013), den Bänden 5, 7, 9, 12 (Mai 2015)). Weitere sind in Vorbereitung, das weitere Erscheinen hängt ab von der weiteren Progression der Publikation des schriftlichen Editionsprojektes VEJ. Das Erscheinen der nächsten Staffel ist für 2018 vorgesehen. Pro Band werden ca. 30 Dokumente ausgewählt und chronologisch präsentiert. Die vertonten Dokumente werden auf Bayern 2 ausgestrahlt und sind als Downloads im Internet auf Dauer verfügbar. [9]
Ergänzt werden die Hördokumente mit Zusatzinformationen. Abrufbar sind auf dem Internetauftritt: 1. Die Einordnung in eine Chronologie (auf einem Zeitstrahl); 2. Links zu Dokumenten, die thematisch mit dem aufgerufenen und gehörten Dokument verwandt sind; 3. eine Landkarte als geographische Orientierungshilfe; 4. Informationen zu Personen (z.B. zum Verfasser, z.T. zu im Dokument genannten Personen); 5. das Skript zum Hördokument. Eine Suchmaske erleichtert eine gezielte Suche.
Sowohl der Internetauftritt, der bis auf Portraits von Zeitzeugen auf Bilder verzichtet, als auch die stimmliche Präsentation der Dokumente ist nüchtern und „sachlich“ gehalten. Bewusst wurde von den Regisseuren auf Musik und Dramatisierung verzichtet – Schauspieler und Zeitzeugen waren aufgefordert, Emotionen und Dramatisierungen aus ihren Präsentationen herauszunehmen, nur „die Quellen sprechen“ zu lassen.
In meinem Blogbeitrag Die Ukraine im Geschichtsunterricht findest du ein Beispiel zur Integration von Die Quellen sprechen in dein Fach Geschichte: Einen Verweis auf Dokumente zum Massaker von Babij Jar bei Kiew!

Teil 2: Diskurs
Ein zweiter Teil befasst sich mit der Diskussion und Erläuterung sowohl von Forschungsfragen als auch mit der Editionsgeschichte von Die Quellen sprechen. Zu Wort kommen hier Historiker, Herausgeber und Mitarbeiter der VEJ-Edition. Dieser Teil verfolgt den Anspruch, die Verbindung zur aktuellen Holocaust-Forschung herzustellen.
Die einzelnen Beiträge sind z.T. sowohl in der Originalsprache als auch in Übersetzung verfügbar und den einzelnen Staffeln der Höredition und den Dokumenten zugeordnet.
Teil 3: Zeitzeugen
Ergänzt wird das Angebot durch Berichte von jüdischen Zeitzeugen – als „letzte Möglichkeit, mündliche Überlieferungen von Holocaust-Überlebenden aufzuzeichnen“. Mit Stand Juni 2017 sind bereits 62 Zeitzeugen, z.T. im Interview mit ihren Erfahrungsberichten und mit kurzen biographischen Informationen versammelt. [10]
Die Quellen sprechen im Geschichtsunterricht
Ist die Höredition für den schulischen Geschichtsunterricht geeignet? Die Antwort lautet eindeutig: „Ja!“
Für den Geschichtsunterricht, der sich mancherorts bereits auf der Schwelle des Übergangs vom Printmedium zu anderen Medien befindet, bietet die Edition einen reichen Fundus an digital verfügbarem Material, das z.T. andernorts noch nicht veröffentlicht war.
Geschichtsdidaktisches Potenzial
Insgesamt entfaltet die Edition didaktisches Potenzial, das diffuse Erinnerung und bisweilen leere Pathosformeln (s.o.) verknüpft mit konkretem Wissen über die Geschehnisse. Dadurch wird Erinnerung und Gedenken erneut mit Sinn angereichert.
Zudem besteht die Chance einer Sensibilisierung für die Gefahr von Ausgrenzungsprozessen und staatlichem Handeln, das sich Ausgrenzung, Entrechtung, Verfolgung und Ermordung zur politischen Zielsetzung gemacht hat.
Vor allem die Dokumente zur Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung von Juden aus dem ersten bis dritten Band bzw. Staffeln 1-3 der Höredition bergen ein besonderes didaktisches Potenzial in diesem Sinne.
Denn eine Vielzahl von Dokumenten lässt die immer enger werdenden Handlungsspielräume von Juden im Deutschen Reich zwischen 1933 und 1939 deutlich werden. Von Demütigungen über Zerstörungen und Raub von Eigentum, Erschwernissen und Behinderungen für Ausreisewillige, bis hin zu Deportationen und Leid in Konzentrationslagern wird deutlich, wie Handlungsmöglichkeiten von Diskriminierten, Ausgegrenzten und Verfolgten immer stärker eingeschränkt wurden. Ohne einen direkten Gegenwartsbezug oder Vergleich herstellen zu können und zu müssen, drängen sich Gedanken über das Leid der Fliehenden und Geflüchteten der Gegenwart auf. Vor allem die konkreten Erscheinungsformen und Auswirkungen sozialer, behördlicher und staatlicher Diskriminierung im Alltagsleben lassen indirekt die Bedeutung von Freiheit, Menschenwürde und Gleichberechtigung für Schülerinnen und Schüler erfahrbar werden.
Zudem lässt sich mittels zahlreicher Dokumente thematisieren, wie Handlungsspielräume immer enger werden, wenn Personen und Gruppen nicht „nur“ unter sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung leiden, sondern wenn Behörden und Staat mit ihren Institutionen sich Diskriminierung und Ausgrenzung zur politischen Zielsetzung machen. Mit aller Wucht trifft die Macht lokaler Behörden und des Staates die Betroffenen, im „Großen“ wie im „Kleinen“. So schreibt etwa der Berliner Polizeipräsident Wolf Heinrich von Helldorf in einem Runderlass zum Umgang im Alltag mit Verkehrsdelikten von Juden:
Bei der Erteilung von Führerscheinen an Juden ist ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Bei der Entziehung von Führerscheinen ist gegen Juden mit aller Strenge vorzugehen. Die Entziehung der Führerscheine hat grundsätzlich insbesondere schon dann sofort zu erfolgen, wenn bei Ariern (z.B. bei Trunkenheit oder leichteren Verstößen) zunächst eine Verwarnung erteilt würde.“ [11]
Die Auswahl der Dokumente zeigt zudem sehr deutlich den Prozess der Radikalisierung von Diskriminierung über die Entrechtung bis hin zum Mord, d.h. im Einzelnen …
- die Ausgestaltung des Antisemitismus in der Herrschaftspraxis, z. B. durch Erlasse auf kommunaler Ebene, dann das Zurückrudern bzw. die Revision auf staatlicher Ebene mit Rücksicht auf das Ansehen im Ausland,
- die immer enger werdenden Handlungsspielräume für Juden in Alltag und Beruf,
- die Radikalisierung – von Propaganda, Diskriminierung und Ungleichbehandlung bis hin zu sozialer und staatlicher Ausgrenzung, Demütigung, Entrechtung, Verfolgung, Deportationsplänen (Madagaskar, Protektorat Böhmen und Mähren) und
- Mord.
Die Brutalität der Verfolgung, Deportation und Ermordung der europäischen Juden während der Kriegsjahre wird durch viele Dokumente thematisierbar, die in den Staffeln zu den verschiedenen europäischen Territorien versammelt sind. Somit werden auch die unterschiedlichen Kontexte, in denen Diskriminierung, Verfolgung, Deportation und Mord stattfinden, rekonstruierbar.
Mögliche Leitfragen und Themen zu Die Quellen sprechen
Mittels der Hördokumente lassen sich u.a. folgende Themen und Leitfragen bearbeiten:
- Wie lässt sich der Prozess von der Diskriminierung bis zur systematischen Ermordung der Juden charakterisieren?
- Aus welchen Gründen unterlag die Verfolgung und Ermordung von Juden einer Radikalisierung?
- Was war bekannt: lokal, national und international?
- Was wussten Nachbarn, wie verhielten sich Nachbarn?
- Wer trug die Verantwortung für die Diskriminierung und Verfolgung von Juden? Der offiziellen staatlichen Gesetzgebung (1935) vorauseilende lokale Erlasse und Verordnungen bezüglich der Behandlung von Juden
- Folgen des gesellschaftlichen, politischen und staatlichen Antisemitismus
- Vergleich von Verfolgung, Deportation und Ermordung von Juden in verschiedenen europäischen Territorien (z.B. Frankreich, Griechenland, Generalgouvernement (Polen))
Umgang mit den Quellen
Ein unterrichtlicher Einsatz der Hördokumente ist sowohl in der klassischen 45-Minuten-Stunde als auch in offeneren Unterrichtsformen möglich.
In Abhängigkeit von der Länge bieten die Aufnahmen in Einzelstunden einen ersten Zugriff auf die Quellen, die dann von den Schülern bearbeitet und analysiert werden können. Die Analyse ist dank der Bereitstellung der Skripte zu den Aufnahmen ohne aufwändige und zeitraubende weitere Vorbereitung der Lehrerin oder des Lehrers möglich.
In methodischer Hinsicht bieten die Hördokumente dann einen Mehrwert im Vergleich zur „bloßen“ Lektüre der Skripte durch die Schülerinnen und Schüler, wenn sie vor der Lektüre in toto präsentiert werden (z.T. sind sie nur 2-3 Minuten lang), um ein globales Verstehen zu gewährleisten, bevor sich Schülerinnen und Schüler an eine vertiefte (Detail-)Analyse setzen. Es wird einigen Schülerinnen und Schülern u.U. leichter fallen, den Sinn zu erfassen, wenn sie die Quelle zunächst gesprochen hören, statt gleich in die Lektüre einzusteigen.
Des Weiteren kann an signifikanter Stelle unterbrochen werden, um Vermutungen über den weiteren Ablauf von geschilderten Ereignissen, den weiteren Verlauf einer Argumentation anzustellen oder Vorausurteile zu fällen, die dann ggf. revidiert oder nach Quellenanalyse vertiefend bestätigt werden.
In offeneren Unterrichtsformen sind selbstverständlich durchaus weitere Lernarrangements denkbar – hier dann allerdings bisweilen unter etwas größerem Aufwand, denn ggf. ist je nach thematischer Ausrichtung und didaktischer Zielsetzung eine Vorauswahl der zu analysierenden und zu hörenden Quellen nötig. Einsatzmöglichkeiten in Projektwochen, beim Stationenlernen zum Thema „Ausgrenzung, Entrechtung, Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden“ sind leicht denkbar, ebenso der Einsatz für Facharbeitsthemen in der Sekundarstufe II. Eine Unterrichtssequenz oder ein Lernen an Stationen könnte auch etwa damit beginnen, einen thematischen Block von Quellen zu hören und erst anschließend davon ausgehend historische Fragen zu entwickeln.
Vor allem die Rubrik „Stichworte“ auf der Internetseite ermöglicht es Schülerinnen und Schülern dann in offeneren Aufgaben- und Unterrichtsarrangements, inhaltlich verwandte Dokumente zu finden, z.B. wenn sie nur ein bestimmtes Thema gewählt bzw. zugewiesen bekommen haben.
Im Sinne von „Bring your own device!“ stehen Lehrerinnen und Lehrer heute wohl weniger vor der Herausforderung, sich um die technischen Belange zu kümmern, um den Zugriff auf die Hördokumente zu ermöglichen. Zudem haben die meisten Schülerinnen und Schüler auch Kopfhörer für ihre Smartphones. Ein W-LAN-Zugang in der Schule sollte allerdings vorausgesetzt werden.
Welche Wünsche bleiben noch offen?
Trotz des umfangreichen und interessanten Materials bleiben für den unterrichtlichen Einsatz noch Wünsche offen: zunächst ist zu hoffen, dass einschlägiges Material auch in (digitalen) Schulbüchern Verwendung finden kann, auch dasjenige, das in der Höredition vertreten ist.
Zudem erscheint eine didaktisch aufbereitete Version der Edition sinnvoll (Arbeitshefte), zumal sie sich ausdrücklich auch an Schulen, Lehrerinnen und Lehrer wendet. Denkbar wären:
- ein Sonderabdruck ausgewählter und der auf 1933-1945 bezogenen Teile der Einleitungskapitel der schriftlichen Bände, da diese die fachlichen Voraussetzungen für Lehrerinnen und Lehrer prägnant darstellen,
- eine weitere thematisch eingegrenzte Auswahl von (Hör-)Dokumenten in Verbindung mit einer kurzen Skizze des didaktischen Potenzials.
Erfahrungen mit Die Quellen sprechen
Die ein oder andere Reihe von (Hör-)Dokumenten wird in einem späteren Blogbeitrag vorgestellt werden, wer aber schon Erfahrungen mit der (Hör-)Edition gesammelt hat: Bitte einfach mit der Kommentarfunktion teilen!
Gutes Gelingen bei der Verwendung der Edition!

Autor: Utz Klöppelt
Hier schreibt dein Kollege – mit mehr als 15 Jahren Erfahrung in Geschichtsunterricht und Geschichtsdidaktik, Gründer von Geschichte 21.
Ich helfe Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrern dabei, ihren Geschichtsunterricht noch besser zu machen!
Auf meinem Blog Geschichte 21 und in meinem Flugblatt | Geschichte 21, dem Newsletter für die 5-Minuten-Tipps für dein Fach Geschichte, erhältst du mindestens zwei Mal pro Woche Anregungen und Hinweise für deinen Unterricht!
Mein geballtes Wissen und meine gesamte Expertise stelle ich dir in meinen beliebten Fortbildungen, Kursen, Workshops, einem plattform-internen Podcast und Webinaraufzeichnungen in meiner Akademie | Geschichte 21, dem Online-Portal für den Geschichtsunterricht, zur Verfügung! Du kannst die Themen deiner Wahl dort auf Abruf vertiefen!
Dort findest du auch Unterrichtsmaterial zum Download für deinen Geschichtsunterricht.
Abseits von Geschichtsdidaktik und Geschichtsunterricht findest du mich u. a. beim Sport (Rudern, Stand-up-Paddling und Basketball) sowie beim Lesen von vorwiegend amerikanischer Literatur!
Zum Weiterlesen und -hören
Podcast Die Quellen sprechen (auf BR Podcast von Bayern 2)
Verlagsedition Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden
Sybille Steinbacher: Holocaust-Professorin
Susanne Heim im Interview mit Christian Staas (2021). „‚Bald sprechen nur noch die Quellen'“, Die Zeit 17, 22.4.2021, Zeit Online vom 21.4.2021, editiert am 27.4.2021.
Bildnachweise
- „Mikrophon mit Quellen“: © Utz Klöppelt
- Peter Eisenmann. Denkmal für die ermordeten Juden Europas (Ausschnitt), photographiert von Utz Klöppelt, Berlin 2016 © Utz Klöppelt
- Screenshot von Die Quellen sprechen: Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Bayerischen Rundfunks; © Bayerischer Rundfunk
Fußnoten
[1] Susanne Heim im Gespräch mit Christoph Lindenmeyer. „Die Quellen sprechen. Gespräch zu Band 2 und zur Gesamtkoordination“, 21.11.2012, URL: http://die-quellen-sprechen.de/Susanne_Heim.html (Zuletzt besucht: 17.06.2017), Minute 2:17 bis Minute 4:10.
[2] Zit. nach: Sybille Steinbacher, im Gespräch mit Dieter Kassel. „Bundesweit erste Holocaust Professur. ‚Das Erinnern erschöpft sich bisweilen in leeren Gedenkritualen’“, Reihe Deutschlandfunk Kultur, 17.05.2017, URL: http://www.deutschlandfunkkultur.de/bundesweit-erste-holocaust-professur-das-erinnern.1008.de.html?dram:article_id=386569 (Zuletzt besucht: 24.06.2017).
[3] Die Quellen sprechen. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945. Eine dokumentarische Höredition, hg. v. Bayerischen Rundfunk / Hörspiel und Medienkunst in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zeitgeschichte; 2008ff., URL: http://www.die-quellen-sprechen.de (Zuletzt besucht: 19.04.2017).
[4] „Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und die Bildung einer Regierung“, Jüdische Rundschau, 31.01.1933, URL: http://die-quellen-sprechen.de/01-001.html#autoplay (Zuletzt besucht: 17.06.2017).
[5] Bundesarchiv, Institut für Zeitgeschichte, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Freiburg. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Berlin, Boston: De Gruyter Oldenbourg; 2008-2019 (projektiert).
[6] „Produktinfo“ zu Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, URL: https://www.degruyter.com/view/serial/235034 (Zuletzt besucht: 18.04. 2017; Link nicht mehr gültig).
[7] „Vorwort der Herausgeber“, in: Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945. Band 1. Deutsches Reich 1933-1937, bearbeitet von Wolf Gruner, München: R. Oldenburg Verlag; 2008, S. 7.
[8] Deutscher Hörbuchpreis e.V. Deutscher Hörbuchpreis 2016 in der Kategorie „Beste verlegerische Leistung“, URL: https://www.deutscher-hoerbuchpreis.de/archiv/dhp-2016/detailansicht/preistraeger?hbuid=2228&cHash=166ea743ca978a780ab58bcecc12309c (Zuletzt besucht: 02.09.2020).
[9] Die Quellen sprechen. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945. Downloads, URL: http://die-quellen-sprechen.de/audiodownloads.html (Zuletzt besucht: 18.06.2017).
[10] Die Quellen sprechen. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945. Zeitzeugen, URL: http://die-quellen-sprechen.de/zeitzeugen.html (Zuletzt besucht: 24.06.2017).
[11] Runderlass des Berliner Polizeipräsidenten Wolf Heinrich Graf von Helldorf, 20. Juli 1938, URL: http://die-quellen-sprechen.de/02-068.html (Zuletzt besucht: 18.06.2017).
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